close
Fotografinnen und Illustratorinnen sind unterrepräsentiert
Fotografinnen und Illustratorinnen sind unterrepräsentiert

Quelle: Pexels

Arbeit - Karriere

Fotografinnen und Illustratorinnen sind unterrepräsentiert

Frauen sind in den seltensten Fällen die Lieferanten von Fotografien und Illustrationen auf deutschen Magazincovern. Das hat eine Erhebung des Deutschen Journalisten-Verbands Hamburg in Kooperation mit dem Datenteam des SPIEGEL ergeben.

Die amerikanische Organisation Women Photograph untersucht regelmäßig Cover- und Aufmacherfotos großer Magazine und Tageszeitungen. Die Erhebungen zeigen jedes Jahr, wie unterrepräsentiert Fotojournalistinnen und Fotografinnen in den US Leitmedien sind – egal ob in Auftragsproduktionen oder in den Bildagenturen (Quelle: womenphotograph.com/data)

Ein Thema, das auch in der deutschen Medienlandschaft auffällt. Der DJV Hamburg hat sich 30 Magazine aus unterschiedlichen Fachrichtungen genauer angeschaut und die Credits der Cover aus dem Jahr 2019 ausgewertet. Insgesamt kam so eine Stichprobe aus der nationalen Magazinwelt von 540 Titelbildern zusammen. Lediglich rund 14 % waren eindeutig auf eine Frau zurückzuführen – im Gegensatz zu den rund 63 %, die einem Fotografen oder Illustrator zuzuordnen waren. Berücksichtigt wurden ausschließlich die Angaben im jeweiligen Credit zum Titelbild.

Mehr Menschen für die Entstehung eines Magazincovers verantwortlich

Bis ein Magazincover gedruckt wird, durchläuft es in jeder Redaktion mehrere Instanzen. In der Artdirketion vom „journalist“ zum Beispiel haben zwei Frauen viele der Cover gestaltet, in der Titelbildredaktion beim SPIEGEL arbeiten drei Frauen und ein Mann, sie werden nicht namentlich im Credit genannt. Dazu kommen Frauen in den Chefredaktionen, die bei jeder Titelbildentscheidung involviert sind. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese Frauen nicht Teil der Erhebung waren.

Fotografinnen und Illustratorinnen sind unterrepräsentiert

Zur Methodik

Hamburger Landesverband des Deutschen Journalisten-Verbands hat 30 Magazine aus verschiedenen Fachrichtungen ausgewählt, um einen aus der deutschen Zeitschriftenlandschaft betrachten zu können. Zusammen mit dem Datenteam des SPIEGEL wurden jeweils alle Ausgaben aus dem Jahr 2019 untersucht, in manchen Fällen zzgl. Sonderausgaben wie ein Best-of-Heft. Erfasst wurde jeweils der sogenannte Credit des Covers, der angibt, von wem das Foto oder die Illustration auf der Titelseite stammt. Jeder Credit wurde einer der folgenden Kategorien zugeordnet.

  • Frauen: Im Credit wurden eine oder mehrere Frauen genannt.
  • Frauen-Männer-Teams: Im Credit wurden mindestens eine Frau und ein Mann genannt (zum Beispiel bei Collagen mehrerer Fotos).
  • Männer: Im Credit wurden ein oder mehrere Männer genannt.
  • unbekannt: Im Credit wurde kein Personenname genannt, sondern z.B. nur eine Fotoagentur, das Magazin selbst oder ein Künstlername, der nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen war. Auch die Fälle ohne jede Angabe eines Cover-Credits sind in dieser Kategorie enthalten.

Die Auswertung zeigt Tendenzen und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit Ursachensuche

Leider gibt es keine validen Zahlen dazu, wie viele Frauen im Bereich Fotojournalismus arbeiten. Nicht alle werden von der Handwerkskammer vertreten oder sind in der Künstlersozialkasse. Nicht alle Berufsfotografinnen und -fotografen arbeiten ausschließlich in einem Segment, manche sind als Mediengestalterinnen und -gestalter oder als Fotodesignerinnen und -designer gemeldet. Manche arbeiten freiberuflich zwar als Fotografinnen und Fotografen, sind aber auch in Bildredaktionen tätig. Ganz so unausgewogen, wie es in dieser Erhebung den Eindruck erweckt, ist die Lage aber sicher nicht.

Liegt es also an den Redaktionen, die zu selten Frauen beauftragen?

Oder liegt es an den Bildagenturen, die zum Großteil mit männlichen Fotografen arbeiten?

Hier einige Stimmen aus der Branche:

Damian Zimmermann (Kurator, Fotograf, Journalist und Kunstkritiker)

“Ich sehe die Ergebnisse der Titelseitenauswertung und meine erste Reaktion ist, dass es mich nicht wundert. Warum soll bei den Titelseiten eine größere Geschlechter-Gleichheit herrschen als woanders? Aber beim zweiten und dritten Blick entstehen bei mir dann doch viel mehr Fragen als ich Antworten bekomme. Dass die Titelseiten von „Beef“ ausschließlich von Männern fotografiert werden, erscheint nämlich nur dann logisch, wenn man davon ausgeht, dass die Leserschaft möglicherweise nur aus Männern besteht. Aber in meiner Wahrnehmung gibt es überdurchschnittlich viele Food-Fotografinnen. Warum spielt das für Beef offensichtlich keine Rolle?

Anders herum frage ich mich, warum der Anteil der männlichen Fotografen ausgerechnet bei den Frauen-Titeln so hoch ist. Und spiegelt die Geschlechterverteilung auf dem Cover auch die

Geschlechterverteilung für die Bildstrecken im Heft selbst wieder oder gelten da andere Regeln? Andersherum finde ich es erstaunlich bis erschreckend, dass die Titelseiten von „Eltern“ fast ausschließlich von Frauen fotografiert werden. Befinden wir uns auch dort in den alten Denkmustern: Männern können besser Grillen und Reisen, Frauen sich besser um die Familie kümmern? Komplett ausgeglichen ist das Geschlechterverhältnis lediglich bei unseren Haustieren. Vielleicht sind sie die einzigen, die keinen Unterschied zwischen Frau und Mann machen.”

Katharina Oesten (Fotochefin ‘MERIAN’)

“Woran mag es liegen, dass in den Fotoagenturen tatsächlich mehr Männer vertreten sind? Reisen Männer reisen mehr? Fotografieren Männer mehr? Ich glaube nein. Ich vermute, dass weibliche Fotografen gar nicht so viel Wert auf den Wiederverkauf der Bilder legen. Sie produzieren nicht für das Archiv, sondern für den Auftrag. Die Nachbereitung, die Auseinandersetzung mit der Technik am Rechner liegt ihnen nicht so am Herzen, wie der Moment hinter der Kamera. Ganz klar, das ist Schubladendenken, das sind Vorurteile. Aber meine langjährige Erfahrung als Bildredakteurin zeigt mir, dass die Fotografinnen ihre Bilder bei der Abgabe weniger „Aufhübschen“. Sie wollen mit der Auswahl des Motivs überzeugen, mit dem Erlebten, dem eingefangenen Moment. Ich unterstelle dem männlichen Fotografen eine größere Affinität zur Technik. Er dreht und schraubt bis er das bestmögliche aus seinen Fotos raus geholt hat. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Und tatsächlich gelten beim Titelfoto andere Gesetze. Es ist weniger Editorial als der Inhalt eines Heftes. Der Titel muss glänzen, muss verkaufen. Das Titelfoto hat einen werblichen Charakter.

Wenn wir eine Titelkonferenz haben, fragt tatsächlich niemand nach dem Geschlecht der Fotografen. Das wäre wirklich zu absurd. Es gewinnt das Motiv, dass die meisten Anwesenden überzeugt. Wir haben übrigens unsere Fotografinnen auch in der Elternzeit gebucht und es ermöglicht, dass diese sogar mit den Kindern für uns arbeiten konnten. Da ist die Oma einfach mitgeflogen oder der Ehemann kam als Begleitung mit, um das Kind zu betreuen, während die Mama gearbeitet hat und das Kind konnte trotzdem gestillt werden. Das ist alles möglich.”

Margarete Krüger (Bildredaktion VISUM Foto)

“Beim ersten Blick auf die Titelseitenauswertung denkt man – ja klar, krasses Ungleichgewicht! Aber es gilt zu bedenken, dass ungefähr zwei Drittel männliche und nur ein Drittel weibliche Interessenten überhaupt ins Studium starten. Und weiter geht´s; im Berufsalltag kommen dann noch ca. 20% Fotografinnen an im Vergleich zu 80% männlichen Kollegen. In der Bildagentur VISUM zum Beispiel haben wir in unserer 45-jährigen Geschichte im Bildjournalismus von 1975 bis heute ungefähr 600 Fotografenverträge abgeschlossen, davon ca. 10% mit Fotografinnen, Tendenz immerhin stetig steigend. Vor diesem Hintergrund sieht die Auswertung dann schon nicht mehr ganz so schlecht aus und in einigen Publikationen sind die Fotografinnen ja schon glatt überrepräsentiert. Welche Rolle das Geschlecht bei der Themenauswahl hat, darüber wage ich nicht zu spekulieren – also auf der einen Seite die „BEEF-Fraktion“ und auf der anderen Seite das „Ministerium für Familie und Gedöns“. Ich glaube, das ist sehr schwer zu beurteilen, da hier so viele verschiedene Faktoren ins Spiel kommen. Aber ich würde eine Folgestudie interessant finden, die sich der Frage widmet, woran es denn eigentlich liegt, dass der Frauenanteil nach dem Studium wieder so rapide sinkt. Finden Frauen den Beruf in der Praxis dann doch nicht mehr so attraktiv? Oder werden hier plötzlich wieder eher traditionelle Rollenmuster in der Familienstruktur wirksam – wer reduziert die Arbeitszeit, wenn Kinder da sind, etc.. – den Verdacht könnte man auch haben.“

Silke Güldner (Coach & Consultant für Fotografen, Buchautorin „Erfolg im FotoBusiness“)

“Fotografieren Männer Familienthemen weniger gut als Frauen? Die Frage stellt sich, wenn man liest, dass das Cover des Eltern-Magazins zu 83% von Fotografinnen fotografiert wird. Und man vermutet auch, dass Fleisch (Beef) besser von Männern fotografiert wird. Diese Statistik gibt Anlass zu Spekulationen, ob Themen geschlechtsspezifisch besetzt werden und ob die Auswahl des Fotografierenden damit zu tun hat, wer gerade „auf dem Schirm“ der Bildredaktion für die Buchung ist. Interessant wäre zu erfahren, aus welchen Gründen diese ungleiche Verteilung zu Stande kommt, denn so bildet sie ab, was viele vermuten. Einerseits klagen Bildredaktionen darüber, dass sich viele männliche Fotografen bewerben und zu wenig Fotografinnen. Andererseits wünschen sich Fotografinnen mehr Jobs in diesem Markt, tun aber manchmal zu wenig für die eigene Sichtbarkeit. Meiner Ansicht nach sollte es immer darum gehen, wer für den Job das beste Portfolio hat und sich persönlich und kreativ eignet, um die Anforderungen für den Job optimal zu erfüllen. Ich wünsche mir, dass sowohl die Auftraggeber die Verantwortung übernehmen, mehr Fotografinnen zu suchen und anzufragen als auch die Fotografinnen den Mut haben, sich stärker sichtbar zu machen.”

Frank Dietz (Leitung stern Titelredaktion)

Warum heute die Diskrepanz noch so eklatant ist, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Auf der professionellen Ebene sehe ich keinerlei Unterschiede. Die Bandbreite hervorragender

Fotografinnen und Illustratorinnen ist enorm. In den Bildredaktionen arbeiten mittlerweile genauso viele Frauen wie Männer. Ein Unterschied könnte die Selbstvermarktung sein: Es stellen sich deutlich mehr Männer als Frauen vor, schicken regelmäßig Updates ihrer Arbeiten. Wenn wir neue Titelthemen konzipieren, arbeiten wir mit jedwedem Bildmaterial um unserer Idee Gestalt zu geben. Welches Geschlecht die/der Urheber-In hat, ist dabei vollkommen nebensächlich – oft auch nicht zu ermitteln, wenn zum Beispiel nur die Agentur als Rechteinhaber genannt wird. Die beste Idee gewinnt. Von 52 Ausgaben, sind etwa ein Drittel Auftragsproduktionen für den Titel. Wir arbeiten in der Titelgrafik immer parallel zur Produktion der Titelgeschichte im Innenteil. 2019 habe ich bei bei den Portrait-Auftragsproduktionen mehrheitlich Frauen gebucht. Bei den Illustratoren sind es allerdings nur Männer gewesen.“

Nora Tabel (Fotografin und Gründerin des Female Photoclub)

“Es ist nach wie vor so, dass wir hauptsächlich Männer aus ihrer Perspektive von der Welt erzählen lassen. Das sieht nicht aus wie eine bewusste Entscheidung, ist es aber am Ende doch, wenn ein subjektives „die bessere Geschichte entscheidet“, dafür sorgt, dass der Frauenblick auf die Geschehnisse unserer Zeit der schlechtere sein soll und er es nicht wert ist, gesehen und gehört zu werden. Auf eine gerechte und diverse Abbildung der Erzählenden zu achten, sollte eine Selbstverständlichkeit sein und nicht als Absurdum abgetan werden, wie es so gerne aus den verantwortlichen Redaktionen kommt, wenn es darum geht, dass hauptsächlich Männer die Seiten der Magazine füllen. Auch lassen wir nicht gelten, die Frauen seien selbst Schuld, da sie gar nicht erst mit ihren Geschichten nach vorne treten. Wer Fairness und Vielfältigkeit als Maßstab hat, dem sollten, mit ein bisschen Recherche in entsprechenden Netzwerken, allerhand Frauen mit dem nötigen know-how begegnen, die was zu sagen haben. Wir stolpern in unserem Fotografinnen Netzwerk immer wieder über destruktiv abgelehnter Geschichten, über fadenscheinige Argumente vergebener Auftragsarbeiten und ganz viel Vetternwirtschaft mit ganz wenig Diversität. Die Auswertung ist für uns keine Überraschung, aber bezeichnend für den bedauerlichen IST Zustand im Jahre 2020. Wie wir den ändern können? Indem wir zuhören. Indem wir internalisierten Sexismus in uns selbst aufdecken. Indem wir bewusst entscheiden, Stimmen sprechen zu lassen, die wir gerne auslassen. Dazu gehören übrigens nicht nur Frauen.


Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

eins × 4 =