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Selfies sind nicht immer doof. Was wir alle von der Generation Z lernen können.
Selfies sind nicht immer doof. Was wir alle von der Generation Z lernen können.

Quelle: Vinicius Wiesehofer / Pexels

Karriere

Selfies sind nicht immer doof. Was wir alle von der Generation Z lernen können.

Kim Kardashian ist damit berühmt geworden. Und reich.

Audrey Hepburn hat nie erfahren, dass es sowas überhaupt gibt.

Stünde aber heute bestimmt an vorderster Front der Selbstinszenierung.

Michelle Lui will sie entzaubern und wird damit selber zum Trend.

Und Du? Hast Du auch schon mal mit einem zu langen Selfie-Stick eine holländische Touristentruppe von einer venezianischen Brücke gefegt? Bist Du auch schon nach 62 grauenhaften Fehlversuchen an Deiner Armlänge verzweifelt? Hast gar den nächsten Schönheitschirurgen gegoogelt und alle Apps mit Schminktipps und Gesichts-Filtern runtergeladen, die der Appstore so hergab?

Für die Generation Z, also die Menschen und besonders Mädchen, die heute zwischen 5 und 22 sind. Digital Natives par excellence, Menschen, die gar nicht mehr wissen, dass das Telefon früher fest im Flur stand. Für die es ein Leben ohne Internet nicht geben kann oder was eine Röhre mit Youtube zu tun hat. Für die Generation Z sind Selfies eine absolute, alltägliche Selbstverständlichkeit.

Geschätzte 3,2 Milliarden Fotos werden täglich weltweit hochgeladen, davon sind ein beachtlicher Anteil Selfies, Selbstportraits von Menschen jeglichen Alters, wenn auch vorwiegend junge, weiblichen Geschlechts, überall auf der Welt.

Bescheuert? Spinnen die alle? Was tun die da? Das werden die doch nie mehr los! Willst Du wirklich Deine Karriere gefährden, weil Du Dich selber in allen möglichen und unmöglichen gar immer gleichen Posen für immer und ewig im Netz verewigst?

Nein.

Niemand will zeigen, wer er ist – sondern wer er sein will.

Schrieb – man staune – die Wirtschaftswoche 2015 und zitierte wie folgt: „Es geht nicht darum, Bilder zu zeigen, die die Realität illustrieren, sondern darum, eine Selbstbeschreibung zu wählen, mit der man bei anderen punkten kann“, sagt Beate Großegger vom österreichischen Institut für Jugendkulturforschung. Selfies seien in Wahrheit genauso inszeniert und bearbeitet wie eine Werbeanzeige von L’Oréal oder eine Modestrecke in der Vogue.

Es ist doch eine Illusion anzunehmen, dass die Promis von heute diese Selfies selber machen, dass sie die ungeschminkte, gar ungeschönte Wahrheit zeigen. Das glaubt doch seit Jahren keine 11jährige aus Buxtehude mehr. Deswegen gibt es ja mehr Filter und Facetuner als Speicherplatz auf jedem Endgerät. Weil die Generation Z und ihre Vorgänger das verstanden haben. Nicht alles, was die wiederum schön finden, muss man teilen. Bauchfreie Bilder hübscher junger Damen kommen Jahre später sicher genauso wenig gut bei zukünftigen Arbeitgebern an, wie online vergessene Dokumentationen flatratesaufender Jungmänner. Und dennoch: Die Menschen der Selfie-Generationen lernen wenigstens mit ihrem Bild umzugehen. Haben verstanden, dass Bilder mehr sagen als  Worte. Gerade die jungen Frauen sind nicht mehr diejenigen, die sich auf jedem Familienfoto ganz hinten hinstellen. Die bei jedem Fotografen sofort sagen, oh nein, heute nicht, ich seh’ immer so schlecht auf Fotos aus! Und damit auch diejenigen, die jede Bühne scheuen, die liebend gerne die Jungs vorlassen, wenn es darum geht zu posieren, zu präsentieren. Also das zu tun, worauf es später, worauf es in jeder Karriere auch ankommt: Den Finger zu heben, etwas zu wagen und die Bühne der Macht zu betreten, bevor sie voll ist.

Ich habe große Hoffnung, dass der gelernte, der beliebte und professionelle Umgang mit dem eigenen Bild auch große Vorteile mit sich bringt für die Frauen, die sich aufmachen, die Chefetagen zu erobern. Wissen, wer man sein will. Sehen wer man ist, und wahrgenommen werden in dieser Rolle, die man sich selber zugeschrieben hat, kann ein Baustein für Selbstbewusstsein und Erfolg sein.

Inszenierung ist das Stichwort. Und das können wir alle von denen lernen, die Instagram mit sich selber befüllen. Wer wissen will, wie es geht, besser auszusehen im Netz, dem stehen Unmengen an Youtube-Videos dafür zur Verfügung. Übung macht Meister und richtig gut wird’s erst, wenn andere einen aufnehmen.

Es gibt eine Reihe Selfie-Apps wie YouCam Perfect, Tertrica, InstaBeauty und einige mehr, die helfen, von vorneherein die eigene Unzulänglichkeit technisch wie optisch aufzupeppen. Grundsätzlich gilt, dass ein hübscher Hintergrund, gute Lichtverhältnisse, vernünftige Schminke, die eigene Schokoladenseite und eine gute Perspektive eher von oben als von unten, unterstützen, ein gutes Bild zu kreieren. Ein kleiner Weichzeichner hinterher, Facetuning ohne zu übertreiben, gar ein Farbfilter wirken Wunder. Spaß machen kann das auch und wer sieht sich nicht gerne gut getroffen und trefflich abgelichtet, bekommt gerne Likes und ein nettes Lob für ein gutes Foto? Was 15jährige können, können 50jährige schließlich auch, die dazwischen sowieso.

Interessanterweise zeigt sich in der Welt der Selfies auch die Globalisierung von einer erstaunlichen Seite. Menschen überall auf der Welt machen sie. Überall ist die Bildsprache ähnlich, setzen sich Trends gleichermaßen durch, sind Blickwinkel, Handbewegungen, gar Augenbrauen verblüffend gleich. Sprich: Sowohl die optische Inszenierung ist wie die Machart, die Einstellungen, die genutzten Apps völlig unabhängig von Sprache, Herkunft, kulturellem Hintergrund oder Schönheitsidealen. Moden wabern durch die ganze Welt, wechseln durch und unterscheiden sich, doch das Gefühl, sich selbst zu inszenieren, der Wunsch, sich den anderen zu zeigen, Likes zu sammeln und schön auszusehen, das scheint für alle zu gelten – egal ob in China, Kolumbien, Kasachstan, Sri Lanka oder Buxtehude. Machen wir doch alle das Beste daraus. Nutzen wir die Chancen, die darin liegen, dass jeder und jede über sein Bild selbst bestimmen kann. Genießen wir die Möglichkeiten, uns selber in Szene zu setzen. Lernen wir von jungen Leuten den Spaß an der Selbstdarstellung und die Macht über das eigene Bild, das Bild von sich einzusetzen, die Bedeutung des eigenen Bildes anzuwenden im realen, ganz analogen Leben. Es kommt sicher auf noch viel mehr an, aber ein gutes Selbstmarketing war noch nie so einfach, aber auch noch nie so wichtig wie heute.

Selbstportraits hat es übrigens schon immer gegeben: Rembrandt, Rubens, van Gogh, Warhol. Es war eine Männerdomäne, das eigene Genie in Szene zu setzen, war es doch Frauen bis ins 19. Jahrhundert verwehrt, Kunstakademien zu besuchen. Erst Frauen wie Paula Modersohn oder Gabriele Münter, Malerinnen des Expressionismus um die Jahrhundertwende, malten und zeigten sich selbst. Frida Kahlo hat ihr Innerstes nach außen gekehrt, hat ihren Schmerz, ihre Traumata, ihre Wünsche und immer sich selber gemalt. Unverwechselbar. Wiedererkennbar. Wie würden heute wohl Selfies von ihr aussehen? Ganz sicher immer mit ordentlich gemachten Augenbrauen.


ist Fernsehjournalistin und Medientrainerin in Berlin. Sie ist die Geschäftsführerin der Fulmidas Medienagentur. Darüber hinaus hat sie die FRONTFRAUEN Akademie für Frauen in Führungspositionen ins Leben gerufen. Claudia Bender veranstaltet regelmäßig FRONTFRAUEN Business Club Abende. Diese bieten Frauen einen angenehmen Rahmen, in dem sie sich begegnen und austauschen können. Website | Facebook | Twitter

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