Männer benehmen sich im Büro wie in einer WG und sind davon überzeugt, dass in der Spülmaschine ein Monster lebt – deswegen kann man sie nicht aufmachen. Aber irgendeine(r) wird sich schon finden, der die Sachen wegräumt.
Für Männer sind Meetings ein Schaulaufen. Eine gute Gelegenheit, sich zu messen, zu sehen, wer mit wem und besonders dem Chef gut kann. Frauen geht es um die Sache und sie wundern sich, wenn keiner zuhört.
So kann man die Liste endlos fortsetzen. Aber davon ändert sich nichts, aber auch gar nichts. Drehen wir also den Spieß um: Was machst Du, wenn Du nur Kollegen hast? Wie nutzt Du die Stärken und Schwächen der Männer für Dich und Deinen Erfolg?
TIPP 1: Ärgere Dich nicht.
Bevor Du diejenige bist, die die Spülmaschine einräumt, kauf Dir einen schönen Kaffee-To-Go-Becher und ignoriere das Geschehen. Oder überrede die Unternehmensleitung, den Putzdienst häufiger kommen zu lassen – auch im Sinne der Außenwirkung bei Gästen und Kunden. Du bist nicht die Mutter der Firma, also benimm Dich auch nicht so.
TIPP 2: Ran an den Speck!
Allein unter Männern hat tolle Vorteile: Du bist automatisch nah dran am Chef, wenn Du Dir den Platz nimmst und die letzten Reste konventioneller Erziehung wirken lässt. Stehst Du an passender Stelle und nicht im Hintergrund herum, wirst Du als einzige Frau in jedem Raum zuerst vorgestellt, kennst jeden Namen, bist leichter erinnerbar und kannst damit elegant die Rangordnung durchbrechen, die Männern so oft die meisten Kopfschmerzen bereitet.
TIPP 3: Quotensau statt Quotenfrau
Natürlich wird die einzige Frau in einem Männerumfeld gerne mal pro forma mit aufs Bild gehoben, auch noch ins Foto geschoben, kriegt schnell noch eine Statistenrolle auf der Bühne, um zu zeigen, ja wir haben auch eine Frau. Darüber kann man sich ärgern, muss man aber nicht. Sichtbarkeit ist Erfolg und kann dann locker mit Inhalt gefüllt werden. Beim nächsten Mal einfach rechtzeitig den Finger heben und zeigen, dass Du auch sprechen kannst.
TIPP 4: Auch Gleichstellung ist Männersache
Ganz einfache Regel: Nimm als Frau um Himmels willen nicht alle Themen, die weiblich sind oder so scheinen in Deine Verantwortlichkeit. Ob es die oben genannte Spülmaschine ist oder bedeutsame Gleichstellungsthemen, die neuen Vorhänge oder eine Teilzeitregelung, auch Männer können sich um vermeintliche Frauenthemen kümmern und Verantwortung dafür übernehmen.
TIPP 5: Wehrt Euch!
Auch wenn es sich zugegebenermaßen viel leichter schreiben lässt als es in die Tat umzusetzen: Männer sind nur körperlich das stärkere Geschlecht. Lass Dir nichts gefallen. Nutz die Möglichkeiten moderner Gesetzgebung, die Mobbing, sexuelle Belästigung und Übergriffigkeiten jeglicher Art am Arbeitsplatz genauso wie sonst untersagen und für jeden gelten. Es gehört vielleicht Kraft und Überwindung dazu, aber niemand muss sich heute noch gefallen lassen, vom Chef angefasst zu werden, vom Kollegen getätschelt oder sich dumme Sprüche gefallen lassen zu müssen. Wehrt Euch! Am besten gleich bei den Anfängen solchen Verhaltens euch gegenüber!
FRAGEN AN Jana Noack …
Du arbeitest alleine unter Männern seit vielen Jahren in der Tech-Branche. Was war Dein lustigstes, aber vielleicht auch Dein erschreckendstes Erlebnis in all den Jahren?
So alleine bin ich Gott sei Dank nicht – die Tech-Welt wandelt sich gerade gewaltig. Internationale Konferenzen fördern Frauen als Speakerinnen und Frauen haben spätestens mit #MeToo entdeckt, welche Macht sie durch den Zusammenschluss entwickeln. Dass Frauen so offen zusammenstehen, empfinde ich als neu und extrem gut. Denn Änderungen lassen sich immer nur durch eine kritische Masse erzielen, niemals im Alleingang.
Mein erschreckendstes Erlebnis waren die Vertragsverhandlungen zu meinem ersten Geschäftsführer-Job. Ich kam aus der strategischen Kommunikation, kannte das Unternehmen in all seinen Details und sollte daher die operative Geschäftsführung übernehmen. Als ich fragte, wie hoch denn das Gehalt sein würde, schaute mich ein männliches Aufsichtsratsmitglied an und sagte: „Sie sind eine junge Frau, könnten bald eine Familie gründen – das ist für uns auch ein großes Risiko, Sie mit der Leitung zu betrauen. Wir denken, Sie sollten dankbar für die Chance sein und nicht mehr Gehalt fordern.“ Ich habe dann mit der Verantwortung für die Mitarbeiter und meiner Haftung argumentiert, aber mehr aus dem Reflex heraus. Denn eine Rechtfertigung war eigentlich absurd überflüssig. Welcher Geschäftsführer eines Unternehmens mit mehreren Millionen Euro Umsatz im Jahr arbeitet denn bitte mit dem Gehalt eines Kommunikations-Beauftragten?
Gelacht habe ich auf einer internationalen Konferenz, auf der ich als Geschäftsführerin selbst das Fotografieren und zeitweise auch die Betreuung unseres Marketing-Stands übernahm. Meine potentiellen, englischen Geschäftspartner verstanden erst zum späteren vereinbarten Termin für Vertragsverhandlungen, dass sie an den Vortagen mit ihrer Ansprache „photo girl“ und „booth babe“ wohl nicht den Ton getroffen hatten. Ihre peinliche Berührtheit konnte ich für einen guten Geschäftsabschluss nutzen.
Was verstehst Du nach vielen Jahren unter Männern heute noch nicht?
Mit welcher Selbstverständlichkeit sie in Meetings, bei denen ein Protokollführer gesucht wird, zu den Frauen rüber schauen, welche sich bereiterklärt. Und wenn es nur eine Frau im Raum gibt, wird automatisch davon ausgegangen, dass diese auch das Protokoll schreibt.
Wie schaffst Du es, von den „Nerds“ gerade in Deiner Branche ernst genommen zu werden?
Ich hoffe, dass das an meiner Kompetenz und Verbindlichkeit liegt. Ich möchte, dass man mir zuhört und mit Respekt begegnet und das bringe ich auch jedem anderen Gegenüber entgegen. Ich versuche jeden als Persönlichkeit vorurteilsfrei wahrzunehmen. Es ist wahnsinnig einfach, mit einem „Hast Du den Haarschnitt gesehen?“, „Hast Du gesehen, wie der vor Angst geschwitzt hat?“ etc. zu werten. Wenn man das für sich selbst ablegt, dann kann man auch anfangen, an andere diese Erwartung zu stellen. Ich bin der Überzeugung, dass vieles in der Fehlkommunikation, gerade zwischen den Geschlechtern, an der eigenen Unsicherheit auf beiden Seiten liegt. Wer unsicher ist, strahlt das aus. Und wenn man dann auf ein unsicheres statt souveränes Gegenüber trifft, wird es schnell ungemütlich und von Kompetenzgerangel begleitet.
Hat sich in den Jahren etwas verändert? Merkt man den jüngeren Männern heutzutage an, dass Sie Mütter haben, die auch arbeiten?
Ich denke schon, dass sich einiges geändert hat, aber das kann man nicht am Alter der Kollegen festmachen. Die Kultur hat sich in den Firmen verändert, das ist der entscheidende Hebel. So führt Car-Sharing weg vom Statussymbol Firmenwagen. Großraumbüros oder Co-Working-Spaces lösen Einzelbüros ab, deren verschlossene Türen Grenzen markieren und Hoheitsgebiete abstecken. Kaum ein Chef kann sich heute noch leisten, eine Vorzimmerdame als erste und den dicken Eichentisch als zweite Hierarchiebarriere zu zelebrieren. Mitarbeiter wollen heute gehört werden, und wenn Chefs nicht zugänglich sind, suchen sich Mitarbeiter eine andere Wirkungsstätte, in der auf ihre Ansichten Wert gelegt wird. Außerdem gehörten noch vor zehn, fünfzehn Jahren anzügliche Halbkomplimente zu jedem guten Männergespräch. Heute verkneifen sich das die männlichen Kollegen, zumindest im Beisein der Kolleginnen. Außerdem haben Code-of-Conduct- und Equal-Pay-Initiativen dazu geführt, dass nicht mehr das Unterstützernetzwerk und dominantes Auftreten die Hierarchie bestimmen, sondern die Kompetenzen jedes und jeder einzelnen. Soziales Miteinander ist jetzt ein unternehmerischer Wert und keine individuelle Schwäche. In der Tech-Branche ist viel vom „We instead of Me“ die Rede. Man setzt in interdisziplinären Teams einfach voraus, dass jeder sein Bestes gibt, für alle Aufgaben offen sein muss und dadurch eine Teamkompetenz das Endergebnis bestimmt. Der Beitrag des Einzelnen wird Nebensache. Das ist eine wirklich großartige Entwicklung und ich hoffe, sie setzt sich auch in anderen Branchen durch.
Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit Arbeitskollegen jenseits der 50 Jahre gemacht. Sie sind mit sich im Reinen und wissen, was sie können und wer sie sind. Daher haben sie keine Probleme, Kompetenzen anzuerkennen und müssen sich nicht auf dem Rücken anderer profilieren. Aber wie gesagt: Für mich ist der Schlüssel die gesamte Firmenkultur, nicht das Verhalten der Einzelnen. Ich rate Frauen grundsätzlich nicht zu versuchen, allein gegen eine Kultur anzukämpfen. Das schafft niemand allein. Verbündete suchen oder in ein Unternehmen wechseln, in dem Respekt und Gleichbehandlung gelebt werden. Wenn im Unternehmen eine Kultur des Schaulaufens und Aufschneidens statt des Miteinanders kultiviert wird, dann werden auch immer wieder Menschen angestellt werden, die das weiterführen. Hier kann man seine gesamten Energien versenken. Der Fisch stinkt immer vom Kopf und was schon faulig ist, kann nur kaschierend übertüncht, aber niemals mehr zur Frische geführt werden.
Dein Top-Tipp für Frauen in Tech-Bereich: Wie besteht man allein unter Männern am besten?
Alle Ratgeber über Bord werfen und authentisch sein. Wir Frauen – und ich hoffe, ich trete keiner zu nahe, aber so ist meine Beobachtung – sind immer bestrebt, ausgleichend zu wirken. Wenn wir uns gegenüber Männern so oder so verhalten, dann ist alles besser. Dadurch sind wir volatil und zeigen unseren männlichen Kollegen keine klaren Grenzen auf. Genau das ist aber wichtig, damit man einander auf dem richtigen Kommunikationspfad begegnen kann. Daher mein Tipp: Sich selbst klar machen, wer man ist und wie man gesehen werden will. Das klingt banal, aber ich rate Frauen wirklich einmal auf einem Blatt aufzuschreiben, was ihnen selbst wichtig ist. Wer bin ich? Und dann auch schauen, wie ich mich im Unternehmen verhalte, egal ob mit Männern oder Frauen, und ob das überhaupt zu meinem gewünschten Bild passt. Sie wollen die Umsetzungsstarke sein? Dann müssen Sie auch voran gehen und den Kopf im Zweifelsfall hinhalten. Sie wollen die detailaffine Organisatorin sein? Dann beschweren Sie sich auch nicht, wenn Kollegen Ihnen allen lästigen Kleinkram, den es vorzubereiten gilt, überhelfen. Wenn Ihnen zum Beispiel gefällt, dass Ihr Können im Formulieren von Texten geschätzt wird, Sie aber zunehmend Beiträge vorgesetzt bekommen, die vor Fehlern und Ungenauigkeiten strotzen, dann schimpfen Sie nicht leise vor sich hin und korrigieren die Texte trotzdem, sondern stecken Sie erstmal die Grenzen für sich selbst ab. Und wenn Sie die kennen, dann kommunizieren Sie diese, möglichst wertungsfrei. Z.B.: Ich gebe gern den sprachlichen Feinschliff, aber in dem Text sind noch so viele Fehler und Ungenauigkeiten, daran muss man arbeiten. Die Zeit habe ich leider nicht. Das heißt aber auch, Konflikte auszuhalten. Das fällt uns Frauen unglaublich schwer, denn wir wollen gern gemocht und anerkannt werden.
Zusammenfassend würde ich sagen: Respekt, Sachlichkeit und Offenheit sind die Schlüsselworte. Es geht immer nur im Miteinander, das heißt aber eben, es muss von beiden Seiten, Mann wie Frau, gewollt sein und gelebt werden. Sonst erreichen man außer Konfrontation gar nichts. Das erleben die meisten Quotenfrauen, weil sie keine Verbündeten haben. Ich finde die Quote prima, aber sie muss so hoch sein, dass man Änderungen bewirken kann. Sonst sind Frauen den Männern in Machtspielchen ausgeliefert. Die kann man in Unterzahl nie gewinnen – auch wenn man alles richtig macht.
Und noch ganz kurz für den Schluss als Erklärung: Was macht Dein Unternehmen?
Die trendig technology services GmbH berät und unterstützt Unternehmen bei analogen und digitalen Innovationen, kulturellem Wandel, Softwarelösungen, Programmierungen, und Softwarequalitätssicherung. Wir geben verschiedenste Trainings rund um diese Themen und veranstalten innovative Konferenzen mit 200 bis 1000 Teilnehmern weltweit.
Jana Noack
Jana Noack, Jahrgang 1980, studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Englische Philologie und Neuere Deutsche Literatur an der FU Berlin. Nach verschiedenen journalistischen Engagements widmete sie sich der Unternehmenskommunikation und ab 2011 der Führung von Unternehmen auf den Feldern der Informations- und Kommunikationstechnologie und angrenzender Dienstleistungen. Hauptaugenmerk ihrer Arbeit liegt dabei auf alternativen Führungstechniken und dem Aufbau innovationsaffiner Unternehmen, die aus sich heraus und mit ihren Kunden wachsen. Sie coacht regelmäßig Teams rund um ihre Innovationsprozesse, moderiert Innovations-Workshops und Design Sprints für Unternehmen und ist Verfasserin verschiedener Fachartikel sowie des Design Sprint Handbuches, das im April im dpunkt-Verlag erscheint: https://www.dpunkt.de/buecher/13297/9783864906565-das-design-sprint-handbuch.html
Allein unter Männern! Die fünf wichtigsten Tipps für Frauen, die nur Kollegen haben
Männer benehmen sich im Büro wie in einer WG und sind davon überzeugt, dass in der Spülmaschine ein Monster lebt – deswegen kann man sie nicht aufmachen. Aber irgendeine(r) wird sich schon finden, der die Sachen wegräumt.
Für Männer sind Meetings ein Schaulaufen. Eine gute Gelegenheit, sich zu messen, zu sehen, wer mit wem und besonders dem Chef gut kann. Frauen geht es um die Sache und sie wundern sich, wenn keiner zuhört.
So kann man die Liste endlos fortsetzen. Aber davon ändert sich nichts, aber auch gar nichts. Drehen wir also den Spieß um: Was machst Du, wenn Du nur Kollegen hast? Wie nutzt Du die Stärken und Schwächen der Männer für Dich und Deinen Erfolg?
TIPP 1: Ärgere Dich nicht.
Bevor Du diejenige bist, die die Spülmaschine einräumt, kauf Dir einen schönen Kaffee-To-Go-Becher und ignoriere das Geschehen. Oder überrede die Unternehmensleitung, den Putzdienst häufiger kommen zu lassen – auch im Sinne der Außenwirkung bei Gästen und Kunden. Du bist nicht die Mutter der Firma, also benimm Dich auch nicht so.
TIPP 2: Ran an den Speck!
Allein unter Männern hat tolle Vorteile: Du bist automatisch nah dran am Chef, wenn Du Dir den Platz nimmst und die letzten Reste konventioneller Erziehung wirken lässt. Stehst Du an passender Stelle und nicht im Hintergrund herum, wirst Du als einzige Frau in jedem Raum zuerst vorgestellt, kennst jeden Namen, bist leichter erinnerbar und kannst damit elegant die Rangordnung durchbrechen, die Männern so oft die meisten Kopfschmerzen bereitet.
TIPP 3: Quotensau statt Quotenfrau
Natürlich wird die einzige Frau in einem Männerumfeld gerne mal pro forma mit aufs Bild gehoben, auch noch ins Foto geschoben, kriegt schnell noch eine Statistenrolle auf der Bühne, um zu zeigen, ja wir haben auch eine Frau. Darüber kann man sich ärgern, muss man aber nicht. Sichtbarkeit ist Erfolg und kann dann locker mit Inhalt gefüllt werden. Beim nächsten Mal einfach rechtzeitig den Finger heben und zeigen, dass Du auch sprechen kannst.
TIPP 4: Auch Gleichstellung ist Männersache
Ganz einfache Regel: Nimm als Frau um Himmels willen nicht alle Themen, die weiblich sind oder so scheinen in Deine Verantwortlichkeit. Ob es die oben genannte Spülmaschine ist oder bedeutsame Gleichstellungsthemen, die neuen Vorhänge oder eine Teilzeitregelung, auch Männer können sich um vermeintliche Frauenthemen kümmern und Verantwortung dafür übernehmen.
TIPP 5: Wehrt Euch!
Auch wenn es sich zugegebenermaßen viel leichter schreiben lässt als es in die Tat umzusetzen: Männer sind nur körperlich das stärkere Geschlecht. Lass Dir nichts gefallen. Nutz die Möglichkeiten moderner Gesetzgebung, die Mobbing, sexuelle Belästigung und Übergriffigkeiten jeglicher Art am Arbeitsplatz genauso wie sonst untersagen und für jeden gelten. Es gehört vielleicht Kraft und Überwindung dazu, aber niemand muss sich heute noch gefallen lassen, vom Chef angefasst zu werden, vom Kollegen getätschelt oder sich dumme Sprüche gefallen lassen zu müssen. Wehrt Euch! Am besten gleich bei den Anfängen solchen Verhaltens euch gegenüber!
FRAGEN AN Jana Noack …
Du arbeitest alleine unter Männern seit vielen Jahren in der Tech-Branche. Was war Dein lustigstes, aber vielleicht auch Dein erschreckendstes Erlebnis in all den Jahren?
So alleine bin ich Gott sei Dank nicht – die Tech-Welt wandelt sich gerade gewaltig. Internationale Konferenzen fördern Frauen als Speakerinnen und Frauen haben spätestens mit #MeToo entdeckt, welche Macht sie durch den Zusammenschluss entwickeln. Dass Frauen so offen zusammenstehen, empfinde ich als neu und extrem gut. Denn Änderungen lassen sich immer nur durch eine kritische Masse erzielen, niemals im Alleingang.
Mein erschreckendstes Erlebnis waren die Vertragsverhandlungen zu meinem ersten Geschäftsführer-Job. Ich kam aus der strategischen Kommunikation, kannte das Unternehmen in all seinen Details und sollte daher die operative Geschäftsführung übernehmen. Als ich fragte, wie hoch denn das Gehalt sein würde, schaute mich ein männliches Aufsichtsratsmitglied an und sagte: „Sie sind eine junge Frau, könnten bald eine Familie gründen – das ist für uns auch ein großes Risiko, Sie mit der Leitung zu betrauen. Wir denken, Sie sollten dankbar für die Chance sein und nicht mehr Gehalt fordern.“ Ich habe dann mit der Verantwortung für die Mitarbeiter und meiner Haftung argumentiert, aber mehr aus dem Reflex heraus. Denn eine Rechtfertigung war eigentlich absurd überflüssig. Welcher Geschäftsführer eines Unternehmens mit mehreren Millionen Euro Umsatz im Jahr arbeitet denn bitte mit dem Gehalt eines Kommunikations-Beauftragten?
Gelacht habe ich auf einer internationalen Konferenz, auf der ich als Geschäftsführerin selbst das Fotografieren und zeitweise auch die Betreuung unseres Marketing-Stands übernahm. Meine potentiellen, englischen Geschäftspartner verstanden erst zum späteren vereinbarten Termin für Vertragsverhandlungen, dass sie an den Vortagen mit ihrer Ansprache „photo girl“ und „booth babe“ wohl nicht den Ton getroffen hatten. Ihre peinliche Berührtheit konnte ich für einen guten Geschäftsabschluss nutzen.
Was verstehst Du nach vielen Jahren unter Männern heute noch nicht?
Mit welcher Selbstverständlichkeit sie in Meetings, bei denen ein Protokollführer gesucht wird, zu den Frauen rüber schauen, welche sich bereiterklärt. Und wenn es nur eine Frau im Raum gibt, wird automatisch davon ausgegangen, dass diese auch das Protokoll schreibt.
Wie schaffst Du es, von den „Nerds“ gerade in Deiner Branche ernst genommen zu werden?
Ich hoffe, dass das an meiner Kompetenz und Verbindlichkeit liegt. Ich möchte, dass man mir zuhört und mit Respekt begegnet und das bringe ich auch jedem anderen Gegenüber entgegen. Ich versuche jeden als Persönlichkeit vorurteilsfrei wahrzunehmen. Es ist wahnsinnig einfach, mit einem „Hast Du den Haarschnitt gesehen?“, „Hast Du gesehen, wie der vor Angst geschwitzt hat?“ etc. zu werten. Wenn man das für sich selbst ablegt, dann kann man auch anfangen, an andere diese Erwartung zu stellen. Ich bin der Überzeugung, dass vieles in der Fehlkommunikation, gerade zwischen den Geschlechtern, an der eigenen Unsicherheit auf beiden Seiten liegt. Wer unsicher ist, strahlt das aus. Und wenn man dann auf ein unsicheres statt souveränes Gegenüber trifft, wird es schnell ungemütlich und von Kompetenzgerangel begleitet.
Hat sich in den Jahren etwas verändert? Merkt man den jüngeren Männern heutzutage an, dass Sie Mütter haben, die auch arbeiten?
Ich denke schon, dass sich einiges geändert hat, aber das kann man nicht am Alter der Kollegen festmachen. Die Kultur hat sich in den Firmen verändert, das ist der entscheidende Hebel. So führt Car-Sharing weg vom Statussymbol Firmenwagen. Großraumbüros oder Co-Working-Spaces lösen Einzelbüros ab, deren verschlossene Türen Grenzen markieren und Hoheitsgebiete abstecken. Kaum ein Chef kann sich heute noch leisten, eine Vorzimmerdame als erste und den dicken Eichentisch als zweite Hierarchiebarriere zu zelebrieren. Mitarbeiter wollen heute gehört werden, und wenn Chefs nicht zugänglich sind, suchen sich Mitarbeiter eine andere Wirkungsstätte, in der auf ihre Ansichten Wert gelegt wird. Außerdem gehörten noch vor zehn, fünfzehn Jahren anzügliche Halbkomplimente zu jedem guten Männergespräch. Heute verkneifen sich das die männlichen Kollegen, zumindest im Beisein der Kolleginnen. Außerdem haben Code-of-Conduct- und Equal-Pay-Initiativen dazu geführt, dass nicht mehr das Unterstützernetzwerk und dominantes Auftreten die Hierarchie bestimmen, sondern die Kompetenzen jedes und jeder einzelnen. Soziales Miteinander ist jetzt ein unternehmerischer Wert und keine individuelle Schwäche. In der Tech-Branche ist viel vom „We instead of Me“ die Rede. Man setzt in interdisziplinären Teams einfach voraus, dass jeder sein Bestes gibt, für alle Aufgaben offen sein muss und dadurch eine Teamkompetenz das Endergebnis bestimmt. Der Beitrag des Einzelnen wird Nebensache. Das ist eine wirklich großartige Entwicklung und ich hoffe, sie setzt sich auch in anderen Branchen durch.
Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit Arbeitskollegen jenseits der 50 Jahre gemacht. Sie sind mit sich im Reinen und wissen, was sie können und wer sie sind. Daher haben sie keine Probleme, Kompetenzen anzuerkennen und müssen sich nicht auf dem Rücken anderer profilieren. Aber wie gesagt: Für mich ist der Schlüssel die gesamte Firmenkultur, nicht das Verhalten der Einzelnen. Ich rate Frauen grundsätzlich nicht zu versuchen, allein gegen eine Kultur anzukämpfen. Das schafft niemand allein. Verbündete suchen oder in ein Unternehmen wechseln, in dem Respekt und Gleichbehandlung gelebt werden. Wenn im Unternehmen eine Kultur des Schaulaufens und Aufschneidens statt des Miteinanders kultiviert wird, dann werden auch immer wieder Menschen angestellt werden, die das weiterführen. Hier kann man seine gesamten Energien versenken. Der Fisch stinkt immer vom Kopf und was schon faulig ist, kann nur kaschierend übertüncht, aber niemals mehr zur Frische geführt werden.
Dein Top-Tipp für Frauen in Tech-Bereich: Wie besteht man allein unter Männern am besten?
Alle Ratgeber über Bord werfen und authentisch sein. Wir Frauen – und ich hoffe, ich trete keiner zu nahe, aber so ist meine Beobachtung – sind immer bestrebt, ausgleichend zu wirken. Wenn wir uns gegenüber Männern so oder so verhalten, dann ist alles besser. Dadurch sind wir volatil und zeigen unseren männlichen Kollegen keine klaren Grenzen auf. Genau das ist aber wichtig, damit man einander auf dem richtigen Kommunikationspfad begegnen kann. Daher mein Tipp: Sich selbst klar machen, wer man ist und wie man gesehen werden will. Das klingt banal, aber ich rate Frauen wirklich einmal auf einem Blatt aufzuschreiben, was ihnen selbst wichtig ist. Wer bin ich? Und dann auch schauen, wie ich mich im Unternehmen verhalte, egal ob mit Männern oder Frauen, und ob das überhaupt zu meinem gewünschten Bild passt. Sie wollen die Umsetzungsstarke sein? Dann müssen Sie auch voran gehen und den Kopf im Zweifelsfall hinhalten. Sie wollen die detailaffine Organisatorin sein? Dann beschweren Sie sich auch nicht, wenn Kollegen Ihnen allen lästigen Kleinkram, den es vorzubereiten gilt, überhelfen. Wenn Ihnen zum Beispiel gefällt, dass Ihr Können im Formulieren von Texten geschätzt wird, Sie aber zunehmend Beiträge vorgesetzt bekommen, die vor Fehlern und Ungenauigkeiten strotzen, dann schimpfen Sie nicht leise vor sich hin und korrigieren die Texte trotzdem, sondern stecken Sie erstmal die Grenzen für sich selbst ab. Und wenn Sie die kennen, dann kommunizieren Sie diese, möglichst wertungsfrei. Z.B.: Ich gebe gern den sprachlichen Feinschliff, aber in dem Text sind noch so viele Fehler und Ungenauigkeiten, daran muss man arbeiten. Die Zeit habe ich leider nicht. Das heißt aber auch, Konflikte auszuhalten. Das fällt uns Frauen unglaublich schwer, denn wir wollen gern gemocht und anerkannt werden.
Zusammenfassend würde ich sagen: Respekt, Sachlichkeit und Offenheit sind die Schlüsselworte. Es geht immer nur im Miteinander, das heißt aber eben, es muss von beiden Seiten, Mann wie Frau, gewollt sein und gelebt werden. Sonst erreichen man außer Konfrontation gar nichts. Das erleben die meisten Quotenfrauen, weil sie keine Verbündeten haben. Ich finde die Quote prima, aber sie muss so hoch sein, dass man Änderungen bewirken kann. Sonst sind Frauen den Männern in Machtspielchen ausgeliefert. Die kann man in Unterzahl nie gewinnen – auch wenn man alles richtig macht.
Und noch ganz kurz für den Schluss als Erklärung: Was macht Dein Unternehmen?
Die trendig technology services GmbH berät und unterstützt Unternehmen bei analogen und digitalen Innovationen, kulturellem Wandel, Softwarelösungen, Programmierungen, und Softwarequalitätssicherung. Wir geben verschiedenste Trainings rund um diese Themen und veranstalten innovative Konferenzen mit 200 bis 1000 Teilnehmern weltweit.
Jana Noack
Jana Noack, Jahrgang 1980, studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Englische Philologie und Neuere Deutsche Literatur an der FU Berlin. Nach verschiedenen journalistischen Engagements widmete sie sich der Unternehmenskommunikation und ab 2011 der Führung von Unternehmen auf den Feldern der Informations- und Kommunikationstechnologie und angrenzender Dienstleistungen. Hauptaugenmerk ihrer Arbeit liegt dabei auf alternativen Führungstechniken und dem Aufbau innovationsaffiner Unternehmen, die aus sich heraus und mit ihren Kunden wachsen. Sie coacht regelmäßig Teams rund um ihre Innovationsprozesse, moderiert Innovations-Workshops und Design Sprints für Unternehmen und ist Verfasserin verschiedener Fachartikel sowie des Design Sprint Handbuches, das im April im dpunkt-Verlag erscheint: https://www.dpunkt.de/buecher/13297/9783864906565-das-design-sprint-handbuch.html
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