Fragte man mich heute, was die schönste Zeit in meinen bisherigen 35 Lebensjahren waren, käme direkt die Elternzeit als Antwort. Logisch, dass ich das sagen muss, denken sich vielleicht viele. Sonst bräuchte ich diesen Artikel ja nicht zu schreiben. Außerdem fiele ich damit ja aus der Reihe; ein Aufschrei käme, wenn ich sagen würde, Elternzeit sei unnötig. So ist es aber nicht. Vielleicht ist es etwas mehr Klischee, als viele Frauen- und Elternzeitschriften bisher dokumentieren konnten. Trotzdem ist es eine großartige Zeit. Doch der Reihe nach:
Ich sitze in der Oberpfalz und schreibe diesen Text. Genauer gesagt, sitze ich am Rande eines Sandkastens, neben mir sitzt mein Zwerg Paul, gekleidet als Tigger (der Kumpel von Pooh, dem Bären), und schippt sich quer durch den Kasten. Es hat etwas Meditatives, ihn dabei zu beobachten. Mit einen Jahr Lebenserfahrung ergründet er alles. Auch das, was für mich als Erwachsenen eigentlich selbstverständlich zu sein scheint und ich es deshalb kaum noch beachte. Er studiert die Sandflugbahn vom Schippenabwurf quer über die Schulter, folgt Ameisen mit seinem Finger oder lutscht jedes Kieselsteinchen einzeln ab, in der Annahme, sie schmeckten alle anders.
Wir haben heute Tag 160 meiner Elternzeit, beziehungsweise unserer gemeinsamen freien Zeit als Familie. 160 Tage mit ganz viel Planspielen, Abenteuer, Daily Soap und Spiegelkabinett. Im Grunde wohl eine ganz normale Zeit, die vielen Vätern in ähnlicher Reihenfolge, aber unterschiedlicher Intensität erlebt haben oder erleben und erleben können.
Planspiele: Die Entscheidung war nicht ganz so einfach. Es gingen viele Gespräche zwischen meiner Frau und mir voraus. Planspiele quasi, in denen wir Wunsch von realistischer Umsetzbarkeit trennen mussten. Das Ergebnis war ein halbes Jahr mit dreimonatiger Camperreise durch Australien und Neuseeland. Mutig, wenn wir das jetzt so zurückliegend betrachten. In jeder Hinsicht – finanziell, familiär (Hallo, Großeltern…) und beruflich. Ach und wie sich während unserer Reise herausstellte, war es auch gesellschaftlich eine argumentative Herausforderung (Grüße an die Süddeutsche Zeitung: Urlaub macht man als ‘Neueltern’ nicht mehr); Beine hochlegen am Strand und lange schlafen gehört vorerst der Vergangenheit an (was nicht zwangsläufig der Kern des Artikels, jedoch ein Teilaspekt war).
Abenteuer: Das Abenteuer begann nicht zwangsläufig mit der Reise durch die südliche Hemisphäre. Bereits im Büro kamen mir Überraschung und Fragezeichen händchenhaltend entgegen getanzt. Begleitet von viel Konfetti. Wem was gehörte, muss ich wahrscheinlich niemandem beschreiben. Am Ende fanden wir einen wirklich guten Kompromiss und ich danke meinem damaligen Arbeitgeber dafür. Ich blieb wohl stur, was nicht allen Menschen dieser Welt gefiel. Doch war ich mir schon seit Juli 2016 kurz nach der Geburt von Paul sicher, dass diese Elternzeit eine unwiederbringliche, lehrreiche und persönliche Zeit sein würde. Eine Zeit, der keine Kompromisse ans Bein pinkeln können – nicht mal ein Kompromiss mit dem Büro, den Großeltern oder dem Squash-Partner. Und so buchten wir die Flüge und begannen zu träumen. Am 21. Januar 2017 starteten wird für zwölf Wochen oder 89 Tage oder drei Monate, um ein nomadisches Leben zwischen Camper, Strand, Bergen, Kiwis, Kängurus, Sandfliegen auf den Straßen Neuseelands und Australiens zu führen.
Daily Soap: Unser Alltag auf der Reise richtete sich sehr viel (gefühlt komplett) nach den Bedürfnissen von Paul. Wir bestimmten die Fahrzeiten und Fahrtlängen der Abschnitte nach seinen Schlafenszeiten vormittags und nachmittags. Einfach losheizen und mal hier oder dort anhalten, vielleicht sogar 500 Kilometer durchfahren, um einen Tag zu gewinnen, wäre mit viel Protest verbunden gewesen. Und den ersparten wir uns freiwillig. Ihm zu Liebe und zu Liebe unserer Nerven. Das führte soweit, dass wir an Sights, wie alten Goldgräberstädten oder anderen Naturwundern, vorbeirauschten, weil der Lütte gerade schlief. Und ich bereute es nicht, wenn ein gut gelauntes, ausgeschlafenes Baby grinste. Diese Strategie zog sich bis zu den Bergtouren hin, die wir in den Alpen liefen. Es war von Vorteil, den kleinen Mann schon vor Antritt des Aufstiegs „k.o. zu spielen“, damit er in der Kraxe sein Nickerchen halten konnte. Zudem wurden die Touren durch einen langen Lunch pausiert. Denn Futter war für den Zwerg die wichtigste am meisten wachsende Beschäftigung, der er sich mit viel Begeisterung hingab. Natürlich gab es auch viele Aktivitäten, die wir gerne gemacht hätten, die sich jedoch mit Paul schwierig gestalteten: Touren durch die verschiedenen Wineries, Tauchen gehen, Kayak fahren, in den Alpen von Hütte zu Hütte springen, Fallschirm oder Bungee jumpen, an Wet-T-Shirt-Contests teilne… oh, wait… äh, heben wir uns noch ein paar Jahre auf. Stattdessen freuten wir uns über Spielplätze, Parks und andere Kinder in seinem Alter. Networkbuilding for the win, sozusagen.
Wieder daheim in Hamburg setzten wir unsere Elternzeit mit derselben Intensität fort, wie wir sie im Camper lebten, nur eben in vertrauter Umgebung. Statt Wombats gab es nun Hunde, statt Cockatoos die Amsel. Unsere Nachbarn wechselten nicht alle paar Tage und unser Badezimmer war auch das gleiche – keine neue Orientierung notwendig. Was blieb, war eine gemeinsame Zeit, die wir genossen und die uns viel bedeutete. Mittlerweile sind wir in der letzten Phase der Elternzeit: seit drei Wochen gewöhnen wir uns an die Kita. Paul wohl etwas mehr als wir, da er ja letztlich den Tag über dortbleibt. Dennoch ist es auch eine Umgewöhnung für uns.
Spiegelkabinett: Elternzeit schätzen wir – und ich schreibe bewusst: wir, da ich diese Zeit ohne meine Frau ja nicht hätte erleben können – bis heute als Privileg und Errungenschaft. Es sind Tage, Wochen, Monate, in denen sich das Band zwischen den Kindern und Eltern vom seidenen Faden zum dicken Tau entwickeln kann. Es verbindet, was zusammengehört. Und damit festigt es auch die Beziehung der Eltern miteinander. Gewagte These? Nein. Betrachtet man die junge Dreikopffamilie, so kann man gut ein Beziehungsdreieck oder auch Spannungsdreieck erkennen. Und hier steht die Spannung im Vordergrund: lässt diese nach oder wird übermäßig erhöht, verlieren alle drei Mitglieder den Halt. Tanzt ein Mitglied aus der Reihe, leiden die beiden anderen ebenso darunter. Diese These wurde für Euch mehrfach mit freundlicher Unterstützung von uns überprüft. Und sie hält immer wieder stand.
Ich sehe durch mein konditioniertes Auge mehr und mehr junge Väter, die Kinderwagen durch den Tag schieben, Neugeborene im Tuch/ErgoBaby/etc. vor dem Bauch tragen oder durch Planten un Blomen trollen. Vielleicht sehe ich nur, was ich sehen möchte. Doch es freut mich. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die noch mehr väterliche Freiheiten einforderte und sie leben ließe. Es kann nur positv sein. Weder für die Wirtschaft, noch für ein besseres Zusammenleben. Das Gegenteil ist der Fall. Denkt mal drüber nach.
Vater in Elternzeit – oder 150 Tage mit Planspielen, Abenteuern, Daily Soap und Spiegelkabinett
Fragte man mich heute, was die schönste Zeit in meinen bisherigen 35 Lebensjahren waren, käme direkt die Elternzeit als Antwort. Logisch, dass ich das sagen muss, denken sich vielleicht viele. Sonst bräuchte ich diesen Artikel ja nicht zu schreiben. Außerdem fiele ich damit ja aus der Reihe; ein Aufschrei käme, wenn ich sagen würde, Elternzeit sei unnötig. So ist es aber nicht. Vielleicht ist es etwas mehr Klischee, als viele Frauen- und Elternzeitschriften bisher dokumentieren konnten. Trotzdem ist es eine großartige Zeit. Doch der Reihe nach:
Ich sitze in der Oberpfalz und schreibe diesen Text. Genauer gesagt, sitze ich am Rande eines Sandkastens, neben mir sitzt mein Zwerg Paul, gekleidet als Tigger (der Kumpel von Pooh, dem Bären), und schippt sich quer durch den Kasten. Es hat etwas Meditatives, ihn dabei zu beobachten. Mit einen Jahr Lebenserfahrung ergründet er alles. Auch das, was für mich als Erwachsenen eigentlich selbstverständlich zu sein scheint und ich es deshalb kaum noch beachte. Er studiert die Sandflugbahn vom Schippenabwurf quer über die Schulter, folgt Ameisen mit seinem Finger oder lutscht jedes Kieselsteinchen einzeln ab, in der Annahme, sie schmeckten alle anders.
Wir haben heute Tag 160 meiner Elternzeit, beziehungsweise unserer gemeinsamen freien Zeit als Familie. 160 Tage mit ganz viel Planspielen, Abenteuer, Daily Soap und Spiegelkabinett. Im Grunde wohl eine ganz normale Zeit, die vielen Vätern in ähnlicher Reihenfolge, aber unterschiedlicher Intensität erlebt haben oder erleben und erleben können.
Planspiele: Die Entscheidung war nicht ganz so einfach. Es gingen viele Gespräche zwischen meiner Frau und mir voraus. Planspiele quasi, in denen wir Wunsch von realistischer Umsetzbarkeit trennen mussten. Das Ergebnis war ein halbes Jahr mit dreimonatiger Camperreise durch Australien und Neuseeland. Mutig, wenn wir das jetzt so zurückliegend betrachten. In jeder Hinsicht – finanziell, familiär (Hallo, Großeltern…) und beruflich. Ach und wie sich während unserer Reise herausstellte, war es auch gesellschaftlich eine argumentative Herausforderung (Grüße an die Süddeutsche Zeitung: Urlaub macht man als ‘Neueltern’ nicht mehr); Beine hochlegen am Strand und lange schlafen gehört vorerst der Vergangenheit an (was nicht zwangsläufig der Kern des Artikels, jedoch ein Teilaspekt war).
Abenteuer: Das Abenteuer begann nicht zwangsläufig mit der Reise durch die südliche Hemisphäre. Bereits im Büro kamen mir Überraschung und Fragezeichen händchenhaltend entgegen getanzt. Begleitet von viel Konfetti. Wem was gehörte, muss ich wahrscheinlich niemandem beschreiben. Am Ende fanden wir einen wirklich guten Kompromiss und ich danke meinem damaligen Arbeitgeber dafür. Ich blieb wohl stur, was nicht allen Menschen dieser Welt gefiel. Doch war ich mir schon seit Juli 2016 kurz nach der Geburt von Paul sicher, dass diese Elternzeit eine unwiederbringliche, lehrreiche und persönliche Zeit sein würde. Eine Zeit, der keine Kompromisse ans Bein pinkeln können – nicht mal ein Kompromiss mit dem Büro, den Großeltern oder dem Squash-Partner. Und so buchten wir die Flüge und begannen zu träumen. Am 21. Januar 2017 starteten wird für zwölf Wochen oder 89 Tage oder drei Monate, um ein nomadisches Leben zwischen Camper, Strand, Bergen, Kiwis, Kängurus, Sandfliegen auf den Straßen Neuseelands und Australiens zu führen.
Daily Soap: Unser Alltag auf der Reise richtete sich sehr viel (gefühlt komplett) nach den Bedürfnissen von Paul. Wir bestimmten die Fahrzeiten und Fahrtlängen der Abschnitte nach seinen Schlafenszeiten vormittags und nachmittags. Einfach losheizen und mal hier oder dort anhalten, vielleicht sogar 500 Kilometer durchfahren, um einen Tag zu gewinnen, wäre mit viel Protest verbunden gewesen. Und den ersparten wir uns freiwillig. Ihm zu Liebe und zu Liebe unserer Nerven. Das führte soweit, dass wir an Sights, wie alten Goldgräberstädten oder anderen Naturwundern, vorbeirauschten, weil der Lütte gerade schlief. Und ich bereute es nicht, wenn ein gut gelauntes, ausgeschlafenes Baby grinste. Diese Strategie zog sich bis zu den Bergtouren hin, die wir in den Alpen liefen. Es war von Vorteil, den kleinen Mann schon vor Antritt des Aufstiegs „k.o. zu spielen“, damit er in der Kraxe sein Nickerchen halten konnte. Zudem wurden die Touren durch einen langen Lunch pausiert. Denn Futter war für den Zwerg die wichtigste am meisten wachsende Beschäftigung, der er sich mit viel Begeisterung hingab. Natürlich gab es auch viele Aktivitäten, die wir gerne gemacht hätten, die sich jedoch mit Paul schwierig gestalteten: Touren durch die verschiedenen Wineries, Tauchen gehen, Kayak fahren, in den Alpen von Hütte zu Hütte springen, Fallschirm oder Bungee jumpen, an Wet-T-Shirt-Contests teilne… oh, wait… äh, heben wir uns noch ein paar Jahre auf. Stattdessen freuten wir uns über Spielplätze, Parks und andere Kinder in seinem Alter. Networkbuilding for the win, sozusagen.
Wieder daheim in Hamburg setzten wir unsere Elternzeit mit derselben Intensität fort, wie wir sie im Camper lebten, nur eben in vertrauter Umgebung. Statt Wombats gab es nun Hunde, statt Cockatoos die Amsel. Unsere Nachbarn wechselten nicht alle paar Tage und unser Badezimmer war auch das gleiche – keine neue Orientierung notwendig. Was blieb, war eine gemeinsame Zeit, die wir genossen und die uns viel bedeutete. Mittlerweile sind wir in der letzten Phase der Elternzeit: seit drei Wochen gewöhnen wir uns an die Kita. Paul wohl etwas mehr als wir, da er ja letztlich den Tag über dortbleibt. Dennoch ist es auch eine Umgewöhnung für uns.
Spiegelkabinett: Elternzeit schätzen wir – und ich schreibe bewusst: wir, da ich diese Zeit ohne meine Frau ja nicht hätte erleben können – bis heute als Privileg und Errungenschaft. Es sind Tage, Wochen, Monate, in denen sich das Band zwischen den Kindern und Eltern vom seidenen Faden zum dicken Tau entwickeln kann. Es verbindet, was zusammengehört. Und damit festigt es auch die Beziehung der Eltern miteinander. Gewagte These? Nein. Betrachtet man die junge Dreikopffamilie, so kann man gut ein Beziehungsdreieck oder auch Spannungsdreieck erkennen. Und hier steht die Spannung im Vordergrund: lässt diese nach oder wird übermäßig erhöht, verlieren alle drei Mitglieder den Halt. Tanzt ein Mitglied aus der Reihe, leiden die beiden anderen ebenso darunter. Diese These wurde für Euch mehrfach mit freundlicher Unterstützung von uns überprüft. Und sie hält immer wieder stand.
Ich sehe durch mein konditioniertes Auge mehr und mehr junge Väter, die Kinderwagen durch den Tag schieben, Neugeborene im Tuch/ErgoBaby/etc. vor dem Bauch tragen oder durch Planten un Blomen trollen. Vielleicht sehe ich nur, was ich sehen möchte. Doch es freut mich. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die noch mehr väterliche Freiheiten einforderte und sie leben ließe. Es kann nur positv sein. Weder für die Wirtschaft, noch für ein besseres Zusammenleben. Das Gegenteil ist der Fall. Denkt mal drüber nach.
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