Mein Sohn war ungefähr neun Monate alt und ich total erschöpft. Ich litt unter dem Schlafmangel, fühlte mich körperlich runtergerockt und hatte so gut wie keine Energie mehr für irgendetwas abseits vom Muttersein. Das machte mich traurig, schlecht gelaunt, wütend und unzufrieden.
Ich wurde krank und das war eindeutig auf körperliche Ermüdung zurückzuführen war. Daraufhin machte ich mir sehr viele Gedanken über meine momentane Situation. Warum war ich so überfordert?
Ich hatte das Gefühl, dass der Großteil der Verantwortung für unser Kind an mir hängenblieb. Obwohl das zwischen meinem Freund und mir so nicht abgemacht war. Nachts übernahm ich fast immer das Füttern, morgens stand ich meistens mit dem Baby auf, abends brachte ich den Kleinen ins Bett und rannte, wenn er noch einmal wach wurde.
Meine eigenen Zukunftspläne und Ideen stellte ich zurück. Ich überließ meinem Freund viele kleine Male den Vortritt, an seinen zu arbeiten. Meine Begründung: Die waren schon konkreter und deswegen wichtiger. Ich stand unserem 50/50-Plan selbst im Weg. Ich wusste es nur noch nicht.
Wohin mit der Verantwortung?
Von Anfang an habe ich mich stärker für unser gemeinsames Kind verantwortlich gefühlt. In dem Moment, als der zweite rosafarbene Strich auf dem Schwangerschaftstest erschien, war klar: Die nächsten neun Monate werde ich nicht allein verbringen. Egal, wohin ich gehe, ich trage ein Lebewesen und daher eine große Verantwortung mit mir. Von diesem Gefühl blieb mein Freund weitgehend unberührt.
Mit der Geburt ließ sich das nicht einfach auf 50/50 umstellen. In den ersten Wochen war da noch immer keine richtige Grenze zwischen mir und dem Kind. Ich habe fast ausschließlich vom Baby aus gedacht und alles sehr intensiv wahrgenommen. Wenn es schrie, begann mein Herz zu rasen, ich hatte beinahe körperliche Schmerzen und das extrem starke Bedürfnis, SOFORT zu reagieren. Mein Freund war da wesentlich entspannter. Das führte dazu, dass ich meist schneller beim Baby war. Für mich gab es keine Alternative.
Durch das Stillen verbrachte ich außerdem mehr Zeit mit unserem Sohn. Irgendwann ließ er sich von mir leichter beruhigen. Wir lernten uns wohl einfach etwas schneller kennen. Später klappte dann das Ins-Bett-bringen besser bei mir. Also übernahm ich das fast immer. Teilweise auch, weil wir zu wenig Energie hatten, die Abläufe zu ändern. Wir wollten einfach, dass das Baby schnell schlief, damit wir ein bisschen Zeit für uns hatten. So schlichen sich über die ersten Monate Gewohnheiten ein, die langfristig schädlich für unser Familienleben waren.
Einmal Reset bitte
Nach neun Monaten Mamasein hatte mein Körper keine Lust mehr und streikte. Drei Tage lang lag ich nur im Bett, schlief und guckte Serien. Mal abgesehen vom Kranksein war das ziemlich toll. Ich machte einfach die Tür zu und gab zum ersten Mal bereitwillig die ganze Verantwortung an meinen Freund ab.
Als es mir durch diese simple Maßnahme ziemlich schnell wieder besser ging, wusste ich, dass wir etwas an unserer bisherigen Aufteilung ändern mussten.
Das Gespräch, das ich daraufhin mit meinem Freund führte, lief anders als geplant. Eigentlich wollte ich ihm vorwerfen, dass er doch auch mal schneller reagieren könnte, wenn das Baby schreit oder von allein dies und das tun, ohne mich vorher zu fragen. Machte ich dann auch. Also die Vorwürfe.
Doch statt alles brav einzusehen, meinte er, dass er oft gar keine Chance hätte, zu reagieren. Weil ich sofort losstürzte. Oder bereits einen Plan im Kopf hätte und er das Gefühl, da nicht reinpfuschen zu dürfen.
BÄM. Jackpot. Er hatte genau das Zentrum meiner Identitätskrise als Frau und Mutter getroffen.
Einerseits wollte ich freier von Verantwortung sein. Andererseits fiel es mir schwer, sie abzugeben.
Einsicht ist ja bekanntlich der erste Schritt… jedenfalls war es nach diesem Gespräch sehr schnell kein Problem mehr für mich, Aufgaben tatsächlich meinem Freund zu überlassen. Ich hatte begriffen, dass er in gleichem Maße kompetent und für unser Kind zuständig ist wie ich.
Diese kleine Erkenntnis hat uns ein ganzes Stück näher Richtung 50/50 katapultiert. Ich stecke nicht mehr zurück, sondern nehme alles, was ich außerhalb der Kinderbetreuung mache, genauso ernst wie mein Freund es tut. Wenn er sich ums Baby kümmert, lausche ich nicht mehr mit einem Ohr, ob auch alles okay ist. Ich bin entspannter. Und unser Sohn erlebt noch mehr gemeinsame Zeit mit seinem Papa. Abends beim Ins-Bett-bringen zum Beispiel.
Ursachenforschung
Ich habe eine Mutter, die sich aufopfernd um alles, was uns Kinder betraf, gekümmert hat. Meine Oma gibt heute immer noch beim Essen den Männern zuerst und deutlich mehr auf die Teller. Das
alles habe ich verinnerlicht. Ob es mir gefällt oder nicht. Daran konnten auch die vielen feministischen Texte, die ich während der Schwangerschaft las, nur bedingt etwas ändern.
Das traditionelle Mutterbild sitzt leider hartnäckiger in mir fest. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie es meine Gedanken über andere Mütter boykottiert: „Oh, die ist aber oft abends unterwegs und in Partystimmung.“ „Oh, die geht so früh schon wieder arbeiten, das könnte ich nicht…“. Dann finde ich mich selbst ziemlich kleinkariert und altmodisch.
Diese gelernten Rollenbilder inklusive Verhaltensmuster lassen sich aber nicht mal eben so abschütteln. Sie sind widerspenstig. Werden von Generation zu Generation weitergegeben, bewusst und unbewusst.
Deswegen ist es wichtig, dass wir uns klar machen, was in unseren Beziehungen noch nicht gleichberechtigt läuft. Es reflektieren, darüber nachdenken, darüber reden und – wenn nötig – aktiv gegensteuern.
Ich finde es nur logisch und völlig in Ordnung, wenn das alles eine Weile braucht. Druck und gegenseitige Vorwürfe – innerhalb der Partnerschaft, aber auch unter Müttern (die super Gleichberechtigten vs. die noch Scheiternden vs. die das alles gar nicht Wollenden) bringen niemanden weiter. Sie lenken höchstens von den eigentlichen „Schauplätzen“ ab.
Entscheidend ist, dass wir nicht resigniert eine nach der anderen stillschweigend aufgeben, sondern darüber reden, wie wir eigentlich leben wollen, wie es tatsächlich läuft und warum das so ist. Nur dann kann sich langfristig und im großen Stil etwas ändern.
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